Bibelstimme

Heilung am Kreuz: Geschenk oder Anspruch?

Heilung am Kreuz: Geschenk oder Anspruch?

Hei­lung ist eines der tiefs­ten The­men, an denen sich das Glau­bens­le­ben vie­ler Chris­ten ent­zün­det. Es geht um mehr als nur um kör­per­li­che Gesund­heit; es berührt das gan­ze Ver­trau­en in Gott, sein Wort, sei­ne Güte und sei­ne Frei­heit. Jesus ist am Kreuz für unse­re Erlö­sung gestor­ben – das ist das Herz des Evan­ge­li­ums. Aber was bedeu­tet das kon­kret für unse­re kör­per­li­che Hei­lung? Ist Hei­lung ein Geschenk, das uns gewiss zusteht, wenn wir nur fest genug glau­ben? Oder ist sie Aus­druck des sou­ve­rä­nen Wil­lens Got­tes, der heilt, wann und wie er will? Wie sol­len wir mit der Pra­xis umge­hen, Got­tes Zusa­gen laut zu pro­kla­mie­ren – als wären sie ein Werk­zeug, um Hei­lung zu erzwin­gen?

In der Bibel begeg­nen uns vie­le Hei­lungs­ge­schich­ten. Jesus heil­te Kran­ke, öff­ne­te Blin­den die Augen, ließ Lah­me gehen und rei­nig­te Aus­sät­zi­ge. Die­se Wun­der waren Zei­chen des anbre­chen­den Rei­ches Got­tes. Sie zeig­ten, dass mit ihm neu­es Leben und Wie­der­her­stel­lung in die Welt gekom­men sind. Jesa­ja pro­phe­zei­te über den lei­den­den Got­tes­knecht: „Durch sei­ne Wun­den sind wir geheilt“ (Jesa­ja 53,5). Die­ses Wort wird im Neu­en Tes­ta­ment auf Chris­tus bezo­gen. Petrus schreibt: „Er hat unse­re Sün­den mit sei­nem eige­nen Leib auf das Holz des Kreu­zes getra­gen, damit wir tot sind für die Sün­den und leben für die Gerech­tig­keit. Durch sei­ne Wun­den seid ihr geheilt“ (1. Petrus 2,24). Die­ses Heil schließt die gan­ze Exis­tenz des Men­schen ein – Leib, See­le und Geist. Doch die Bibel macht auch deut­lich, dass wir in einer span­nungs­rei­chen Zeit leben: Das Reich Got­tes ist schon da, aber noch nicht voll­endet. In die­sem Span­nungs­feld darf Hei­lung erlebt wer­den, aber sie bleibt ein Vor­ge­schmack auf die end­gül­ti­ge Wie­der­her­stel­lung, die erst in Got­tes Ewig­keit voll­kom­men sein wird.

Das heißt: „Hei­lung ist ein Geschenk des ange­bro­che­nen Rei­ches Got­tes – doch sie bleibt ein Vor­ge­schmack, weil die Voll­endung erst in Got­tes Ewig­keit geschieht und wir dar­um nicht aus dem Jetzt ein Recht ablei­ten dür­fen.

Es ist des­halb wahr, dass Jesus auch kör­per­lich heilt. Es ist aber eben­so wahr, dass er nicht jeden Men­schen auf Erden sofort heilt. Der Apos­tel Pau­lus, der selbst Kran­ke heil­te, berich­tet von sei­nem ‚Pfahl im Fleisch‘ – einer anhal­ten­den Schwä­che oder Krank­heit, die Gott ihm trotz instän­di­gen Gebets nicht nahm. Pau­lus schreibt: „Drei­mal habe ich den Herrn ange­fleht, mich davon zu befrei­en. Doch er sag­te zu mir: „Mei­ne Gna­de muss dir genü­gen, denn mei­ne Kraft ist gera­de in den Schwa­chen mäch­tig.“ Jetzt bin ich sogar stolz auf mei­ne Schwach­heit, weil so die Kraft von Chris­tus auf mir ruht.” (2. Korin­ther 12,8–9). Gott hat Pau­lus nicht des­halb erhört, weil ihm der Glau­be fehl­te, son­dern weil er ihn auf einen Weg der Gna­de und des Ver­trau­ens füh­ren woll­te. Die­se Erfah­rung zeigt: Nicht jede aus­blei­ben­de Hei­lung bedeu­tet man­geln­den Glau­ben, und nicht jede Hei­lung beweist grö­ße­ren Glau­ben. Ent­schei­dend ist nicht die Metho­de, son­dern die Bezie­hung – das Ver­trau­en zu dem Herrn, der heilt und zugleich trägt.

Hei­lung ist immer Gna­de. Gna­de lässt sich weder for­dern noch ein­lö­sen. Hei­lung lässt sich auch nicht per Knopf­druck her­bei­be­ten – anders, als es man­che Vide­os in den sozia­len Netz­wer­ken sug­ge­rie­ren. Wer meint, Hei­lung müs­se pro­kla­miert wer­den, als wäre sie ein recht­mä­ßi­ger Anspruch, ver­schiebt das Zen­trum des Glau­bens. Dann steht nicht mehr Gott im Mit­tel­punkt, son­dern der eige­ne Wil­le, ein Ergeb­nis zu sehen – um der eige­nen Ehre wil­len, für Applaus und Reich­wei­te. So wird Gott zur Neben­sa­che. Und doch las­sen sich vie­le Men­schen blen­den und ver­füh­ren …“

Die Bibel lehrt, dass Glau­be nicht dar­in besteht, Gott an sein Wort zu „erin­nern“ oder etwas zu „bean­spru­chen“, son­dern dass Glau­be Ver­trau­en bedeu­tet – auch dann, wenn Gott anders han­delt, als wir hof­fen. Jesus selbst hat im Gar­ten Get­se­ma­ni gebe­tet: „Vater, wenn es mög­lich ist, so gehe die­ser Kelch an mir vor­über; doch nicht wie ich will, son­dern wie du willst“ (Mat­thä­us 26,39). Wer so betet, zeigt den tiefs­ten Glau­ben: das Los­las­sen eige­ner Vor­stel­lun­gen und das Ver­trau­en in die Weis­heit Got­tes.

Das bedeu­tet nicht, dass Pro­kla­ma­tio­nen grund­sätz­lich falsch sind. Es ist gut, Got­tes Wort laut zu beken­nen, sei­ne Wahr­hei­ten aus­zu­spre­chen, Mut zu fas­sen im Gebet. Wor­te des Glau­bens kön­nen das Herz stär­ken. Aber sie dür­fen nicht zu magi­schen For­meln wer­den, mit denen man Gott fest­le­gen will, mit dem Ziel, ihm vor­zu­schrei­ben, was er jetzt zu tun hat. Es macht einen gro­ßen Unter­schied, ob ich Got­tes Wort im Geist des Ver­trau­ens spre­che oder ob ich es benut­ze, um ein bestimm­tes Ergeb­nis her­bei­zu­füh­ren. Glau­be glaubt an Gott, nicht an die eige­ne Glau­bens­kraft.

“Die Bibel kennt kei­nen „Anspruchs­glau­ben“, der Hei­lung garan­tiert, son­dern einen ver­trau­en­den Glau­ben, der sich Gott mit allem über­lässt.”

Dass man­che Chris­ten Spon­tan­hei­lun­gen erle­ben, darf uns nicht irri­tie­ren, son­dern ermu­ti­gen. Gott tut Wun­der – damals wie heu­te. Er kann sofort, all­mäh­lich oder auf ganz ande­re Wei­se hei­len. Aber das Wir­ken Got­tes lässt sich nicht auf mensch­li­che For­meln redu­zie­ren. Auch dort, wo kör­per­li­che Hei­lung aus­bleibt, wirkt Gott tief­grei­fend hei­lend an der See­le. Vie­le Gläu­bi­ge bezeu­gen, dass sie durch ihre Krank­heit den Herrn neu ken­nen­ge­lernt haben – als den Trös­ter, den Beglei­ter, den, der im Leid gegen­wär­tig bleibt. Heil­sein bedeu­tet in der Bibel mehr als Gesund­heit. Es meint Ganz­sein in der Gegen­wart Got­tes. Ein Mensch kann krank, aber heil sein, wenn er in der Lie­be Chris­ti ver­wur­zelt ist. Und ein ande­rer kann gesund, aber inner­lich zer­ris­sen sein, wenn Gott außen vor­bleibt.

Die Sehn­sucht nach Hei­lung ist berech­tigt und gut, mensch­lich nach­voll­zieh­bar! Gott will, dass Leben auf­blüht. Dar­um dür­fen wir ihn im Gebet immer wie­der um kör­per­li­che Wie­der­her­stel­lung bit­ten – ver­trau­end, nicht for­dernd. Er lädt uns ein, zu ihm zu kom­men mit allem, was uns beschwert. Aber wir dür­fen zugleich wis­sen: Sein Ja oder Nein ist nie­mals Aus­druck von Will­kür, son­dern immer Teil sei­ner wei­sen­den Lie­be. In den Spu­ren Jesu zu gehen bedeu­tet, bei­des zuzu­las­sen: Hoff­nung auf Hei­lung und Bereit­schaft zum Gehor­sam. Wir dür­fen bit­ten, glau­ben, hof­fen – und die Ant­wort getrost in sei­ne Hän­de legen.

Die schlimms­te Krank­heit wäre, das Ver­trau­en in Got­tes Güte zu ver­lie­ren. Und das größ­te Wun­der ist, in der Nähe Chris­ti Frie­den zu fin­den – ob im gesun­den oder im schwa­chen Kör­per. Im Kreuz liegt die tiefs­te Hei­lung: die Ver­ge­bung der Schuld und die Wie­der­her­stel­lung der Gemein­schaft mit Gott. Dar­in grün­det jede ande­re Form von Hei­lung, die wir erfah­ren dür­fen. Eines Tages, in der neu­en Schöp­fung, wird Gott alle Wun­den schlie­ßen, jeden Schmerz been­den, jede Trä­ne abwi­schen. Bis dahin leben wir in der Span­nung zwi­schen Ver­hei­ßung und Erfah­rung. Wir dür­fen glau­ben, bit­ten, hof­fen – und uns vom Kreuz her immer wie­der neu gewiss wer­den, dass sei­ne Lie­be genügt.

So bleibt Hei­lung ein Geschenk, nie ein Anspruch. Sie ent­springt der Gna­de, nicht der Tech­nik. Wer glaubt, ver­traut – und wer ver­traut, weiß: Chris­tus ist grö­ßer als Krank­heit, grö­ßer als Tod, grö­ßer als unse­re Fra­gen. Er hat den Sieg errun­gen, auch wenn wir ihn jetzt nur im Glau­ben sehen. Dar­in liegt der Frie­de, den kei­ne Krank­heit rau­ben kann. Und dar­um darf jeder Christ sagen: Ich glau­be an den Herrn, der heilt – und ich ver­traue ihm, auch wenn er mich trägt statt mich gesund zu machen. Sei­ne Lie­be ist genug, sei­ne Gegen­wart ist heil­sam, sein Wil­le ist gut. Amen.

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